“Das Kuscheltierdrama”: Der Autor im Interview

“Ich habe Schicksale erlebt, die noch viel viel schlimmer waren als die, die ich im Buch schildere”
Ein Interview von J. Scharpenberg
Er war schon bei Markus Lanz (ZDF) zu Gast und hat mit Jörg Thadeusz (RBB) diskutiert: Der Tierpathologe Prof. Dr. Achim Gruber. Der Grund: Er hat seine beruflichen Erfahrungen in dem Buch “Das Kuscheltierdrama” veröffentlicht und damit einen Nerv getroffen. Er sagt, viele Haustiere könnten ein längeres und schöneres Leben haben, wenn die Menschen – vor allem Haustierhalter und -Züchter – sich mehr auf die Bedürfnisse ihrer Tiere einstellen würden, statt an sich selbst zu denken. Und wenn das jemand belegen kann, dann er.

Die Tierpathologie füllt den Tierarzt Achim Gruber mehr aus, als die Arbeit in einer Praxis.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Sie schon früh wussten, dass Ihre berufliche Zukunft in der Tiermedizin liegt, die Arbeit in der Praxis Sie jedoch nicht zufrieden stellte. In wieweit sind Sie in der Pathologie zufrieden? Gibt es eventuell noch einen weiteren Berufszweig, der Sie interessieren würde?
Für die Tierarztpraxis war ich einfach zu neugierig, wenn ich manchen Patienten nicht helfen konnte oder einfach nicht herausbekommen habe, was ihnen fehlte. Als Pathologe kann ich praktisch alle Fälle lösen. Das gibt mir oft große Zufriedenheit, trotz aller traurigen und melancholischen Momente, die dieser Berufszweig mit sich bringt. Aber Tierpathologie ist immer eine Wissenschaft für die Lebenden: Ich arbeite dafür, dass die Lebenden am Leben und glücklich bleiben. Beides gilt übrigens auch für ihre Besitzer. Wenn ich mal mit der Tierpathologie fertig bin, werde ich Psychologie studieren. Vielleicht können mir dann die Seelen- und Verhaltensprofis helfen zu verstehen, warum Menschen so mit ihren Tieren umgehen.
Sie haben die Pathologie gewählt, weil Sie die Krankheitsfälle von Tieren aufklären möchten, statt nur Symptome zu behandeln. Wie gehen Sie damit um, wenn ein Fall nicht gänzlich aufgeklärt werden kann, wie zum Beispiel im Fall der Hündin Hella? Wie schließen Sie mit nicht abgeschlossenen Fällen ab?
Meine Fälle kann ich aus tiermedizinischer Sicht fast alle aufklären. Das gilt auch für die meisten forensischen Fälle, also meine Gerichtsprozesse, wenn es um Täterschuld oder Schadensersatzforderungen geht. Jeder Fall hat aber auch eine menschliche Geschichte, die ich oft nicht oder nicht genug kenne oder verstehe. Die menschlichen Schicksale, Motive und Fehlverhalten hinter den Tierschicksalen lassen mich oft nicht los, und geben mir manchmal ein Gefühl der Ohnmacht. Darum habe ich das Buch geschrieben, um selbst zu verarbeiten, und die Menschen darauf aufmerksam zu machen.
Sie distanzieren sich bewusst von dem Vorurteil, Pathologen seien kaltherzig und nicht emotional. Nehmen Sie die Schicksalsgeschichten gedanklich mit nach Hause? Oder welchen Weg haben Sie gefunden, die Arbeit Arbeit sein zu lassen?
Pathologie sensibilisiert. Die unzähligen Facetten und Nuancen der Mensch-Tier-Beziehungen spiegeln sich in dem wider, was ich auf dem Seziertisch sehe. Natürlich entwickelt man eine professionelle Distanz zu den sichtbaren Schreckensbildern, den Tumoren, Gewebszerreißungen und dem Blut. Das alles ist aber unwichtig. Was zählt, ist die Sensibilität und Verantwortung für die Zusammenhänge dahinter. Das Blut und die optischen Eindrücke lasse ich im Institut, wenn ich abends heimgehe. Die Geschichten aber nehme ich mit, manchmal bis in den Schlaf, in die Wochenenden und Ferien.

“Ein Tierpathologe über das stille Leiden der Haustiere”
Die Schicksale der Haustiere im Buch gehen sehr zu Herzen. Haben Sie bewusst besonders schlimme Fälle gewählt oder haben Sie sogar noch schlimmeres erlebt?
Ich habe Tier- und Menschenschicksale erlebt, die noch viel viel schlimmer waren als die, die ich im Buch schildere. Die kann man aber vielen Lesern nicht zumuten, und vielleicht will ich mich auch selbst nicht daran erinnern.
Wie haben Sie entschieden, welche Schicksale Sie veröffentlichen?
Meine Auswahl richtete sich danach, welche Schicksale eingängig und menschlich nachvollziehbar waren und zugleich geeignet, den wissenschaftlichen Hintergrund leicht verständlich darzulegen. Am wichtigsten war mir jedoch bei jeder Geschichte, dass der Spiegel in die Gesellschaft einen glasklaren Blick darauf ermöglicht, was hier schiefgeht und was man besser machen kann.
Was müsste Ihrer Meinung nach passieren, damit „das stille Leiden der Haustiere“ ein Ende findet? (Z. B. Eignungstests vor der Anschaffung eines Haustieres, Krankenversicherungs-Pflicht, …)
„Ein Ende finden“ bleibt sicher Utopie, solange zum Menschsein gehört, dass wir Fehler machen. Es gibt aber viele einfache Möglichkeiten, vermeidbares Leiden drastisch zu reduzieren. So müsste das Tierschutzgesetz viel konsequenter umgesetzt werden, genügend scharf formuliert ist es dafür. Das gilt besonders für den so genannten Qualzuchtparagraphen 11b. Im Einzelfall könnten Tierführerscheine, Wesenstests für auffällige Halter und Tierhaltungsverbote so manches Tier schützen. Und ich plädiere vehement dafür, alle Haustiere, die wir in die Familie aufnehmen, wie alle anderen Familienmitglieder auch krankenzuversichern.
Beim Lesen merkt man mit jedem Satz, wie sehr Ihnen das Thema am Herzen liegt. Wenn Sie Ihr ganzes Buch in nur einem Appel wiedergeben müssten, wie würde dieser lauten?
Geht verantwortungsvoll mit den Tieren um, die Ihr in Eure Obhut nehmt, dazu gehört auch ein gutes Verständnis ihrer eigenen Natur und Bedürfnisse.
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